Religionspolitik im Bundestagswahlkampf 2017 – Teil 4: Regierungsprogramm der FDP

Die FDP hat sich in ihrer Parteigeschichte bislang mehrfach als vehemente Kritikerin der Kooperationsvereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften hervorgetan. Im aktuellen Programm für die Bundestagswahlen 2017 plant die Partei der Freien Demokraten jedoch keine elementaren Einschnitte in der Religionspolitik. Stattdessen fokussieren die Freien Demokraten in ihrem Wahlprogramm Angriffe auf ihr vorderstes Prinzip – die Liberalität.

Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen

Die FDP fordert von allen Religionsgemeinschaften die uneingeschränkte Anerkennung der gesellschaftlichen Freiheitlichkeit und Toleranz. Die Partei übersetzt diese Forderung in die Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen166 StGB, da sie diesen als Toleranz von Intoleranz bewertet (42). Zwar werden Schmähungen religiöser Personen bzw. Andersgläubiger als potenzielle Gefährdungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eingestuft, allerdings könne damit kein generelles gesetzliches Verbot in Form des Blasphemie-Paragraphen gerechtfertigt werden.

Dagegen wird die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie sie etwa im Antisemitismus und in der Islamfeindlichkeit praktiziert wird, zurückgewiesen. Allerdings erörtert die FDP in ihrem Wahlprogramm nicht, wie das eine vom anderen im Zweifelsfall zu unterscheiden ist.

Ausländische Einflussnahme auf religiöse Vereine und Verbände wird nicht toleriert

Die FDP lehnt zudem all jene religiösen Formen und Verhaltensweisen ab, die nicht mit der Ordnung des Grundgesetztes übereinstimmen. Hierzu zählt sie sowohl religiösen Fundamentalismus als auch die „Einflussnahme aus dem Ausland durch die Finanzierung religiöser Vereine und Einrichtungen“ – zum Beispiel durch die Türkei oder Saudi-Arabien (43). Diese Position hat die FDP bereits in den Verhandlungen über einen Vertrag zwischen der niedersächsischen Landesregierung und den muslimischen Verbänden eingenommen und sich aufgrund der Frage, wie abhängig die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) von der Erdogan-Regierung ist, davon zurückgezogen.

Die Konsequenzen, die sich hieraus perspektivisch für die Zusammenarbeit von Staat und islamischen Verbänden ergeben, werden nicht erörtert. Aufgrund der ablehnenden Haltung, welche die FDP etwa in Bezug auf die Hamburger Verträge mit islamischen Verbänden eingenommen hat, bleibt anzunehmen, dass die Freien Demokraten die Kooperationen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften insgesamt eher einschränken und nicht ausbauen werden. 

Recht auf Religionsfreiheit

Grundsätzlich spricht sich die FDP jedoch deutlich für die Anerkennung des Rechts auf Religionsfreiheit und für die Gleichbehandlung von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften aus, da es zur „Freiheit des Einzelnen gehör[e] die Suche nach dem Sinn und den Werten des eigenen Lebens, die viele Menschen in ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung und Weltanschauung finden“ (43) nachzugehen. Deshalb lehnt die FDP in ihrem Wahlprogramm ein Verbot der freiwilligen Verschleierung ab. Ausnahmen müssen jedoch für Einzelfälle, beispielsweise für die Identifizierung von Personen, eingeräumt werden. Für den Fall einer unfreiwilligen Verschleierung sowie für Fälle häuslicher Gewalt fordert die FDP zudem einen konsequenteren Schutz von Betroffenen.

Keine deutsche Leitkultur

Im Wahlprogramm wird zudem ausgeführt, dass die Religionsfreiheit allen Bürger*innen im Rahmen der „Ordnung des Grundgesetzes“ (42) das Recht auf religiöse und kulturelle Entfaltung garantiert – unabhängig von Religion und Weltanschauung. Die FDP lehnt aus diesem Grund die Fixierung einer deutschen Leitkultur, durch welche „eine Mehrheit versucht, dem einzelnen Individuum ihre Kultur aufzuzwingen“ (42) ab. Die Freien Demokraten fordern stattdessen auch für solche kulturellen Praktiken Toleranz, die von der Mehrheitsgesellschaft abweichen, solange diese mit dem Grundgesetz kompatibel sind. Damit wendet sich die FDP gegen den von CDU/CSU eingeführten Versuch, kulturelle Eigenheiten zu fixieren und sie als verpflichtende Integrationsrichtlinien festzusetzen.

Keine Akzeptanz für Feinde der freiheitlich- demokratischen Ordnung

Alle Praktiken und Überzeugungen die mit der freiheitlichen, demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar sind, sollen hingegen bekämpft werden. Im Wahlprogramm manifestiert sich diese Haltung am deutlichsten im Umgang mit dem radikalen, gewaltbereiten Salafismus. Die FDP will eine Strategie zwischen „Repression und Prävention“ (65) etablieren.

Hierfür will die Partei zum einen mit solchen Muslimen und islamischen Verbänden kooperieren, die Gewalt, Intoleranz und religiösen Extremismus ablehnen. Zum anderen sollen gewaltbereite Salafisten konsequent vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Rechtsstaat müsse gegen identifizierte Personen und/oder Gruppen mit all seinen Mitteln (etwa „Versammlungs- und Vereinsverbote, konsequente Strafverfolgung, Aus- und Wiedereinreisebeschränkungen für Gefährder sowie deren gezielte Überwachung, beispielsweise mittels elektronischer Fußfessel“ [65])  vorgehen. Zudem müsse salafistischer Propaganda stärker durch präventive Maßnahmen begegnet werden. Die FDP schlägt im Wahlprogramm vor, die Ausbildung von Multiplikatoren und Fachkräften auszubauen und die Aufklärungsarbeit in den sozialen Medien zu verstärken (65).

Religionspolitik nicht als Wahlkampfthema

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass der Religionspolitik im Wahlkampf der FDP eine untergeordnete Bedeutung zukommt, da die Partei in ihrem Wahlprogramm keine grundsätzlichen, strukturellen Änderungen formuliert. Sie entwickelt ihre religionspolitischen Impulse vor allem als Reaktion auf die von ihr konstatierten Angriffe auf die Liberalität. Insofern setzt sich die FDP sowohl gegen eine Einschränkung der Religionsfreiheit  – etwa durch Bekleidungsverbote – als auch gegen Restriktionen der Freiheit zur Religionskritik und -diffamierung durch den Blasphemie-Paragraphen ein.

Die Kooperationen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften werden im Programm nicht erörtert. Konzepte für eine verbesserte Integration der islamischen Religion in die religionspolitischen Strukturen Deutschlands werden nicht vorgestellt. Allerdings wird die Zusammenarbeit des Staates mit islamischen Religionsgemeinschaften und Verbänden durch den kritischen Hinweis thematisiert, dass die Einflussnahme aus dem Ausland durch die Finanzierung religiöser Vereine und Einrichtungen nicht toleriert wird. Insgesamt deutet sich im Programm die Tendenz an, dass die FDP die Gleichberechtigung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht durch die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften ins Auge fasst.

Bildquelle: Flickr, https://www.flickr.com/photos/liberale/35683279202/

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Dr. Hanna Fülling hat einen Bachelor an der FU Berlin zum Thema "Interreligiöser Dialog" und den Master "Religion and Culture" an der HU Berlin gemacht. 2018 hat sie ihre Promotion zum Thema "Religion und Integration in der deutschen Islampolitik" beendet.